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Über Sprache sprechen

Tim Bernhard

SprachaufenthaltMoskau

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Die Motivation für einen Sprachaufenthalt? Sprache lernen, klar. In meinem Fall Russisch. Eine spannende Sprache: Einflüsse von Wikingern, Mongolen, Griechen und vielen mehr entwickelten sich zu einer eigenen, komplexen Sprache, die sich insbesondere durch eine viel zu grosse Anzahl an Wörtern auszeichnet. Eine weitere Eigenart ist die kyrillischen Schrift, die aus einer Hand- und einer Blockschrift besteht, die beide grosse Ähnlichkeiten zur lateinischen Schrift vorweisen. Allerdings nur optisch: der kyrillische Buchstaben für den Laut des lateinischen d sieht in der Handschrift aus wie jenes vom g, das r wie ein p, das t wie ein m. Und das ist nur eine Auswahl der kleineren Schwierigkeiten.

Die Frage, wie viel ich schon verstehe, und ob ich grosse Fortschritte mache, wird oft gestellt. Ich fühle mich nicht kompetent, eine vernünftige Antwort zu geben. Im geschlossenen Umfeld der Russischlektionen wird das Gesprächsthema auf mein Kenntnisstand abgestimmt. Die verwendeten Wörter und Formen kenne ich, beziehungsweise: sollte ich kennen. Die Geschwindigkeit ist ebenso auf mein Tempo abgestimmt und ist nicht vergleichbar mit der eines realen Gespräches. Und alles Neue wird erklärt. Insgesamt geht es dort hervorragend vorwärts, Neues gibt es portionsweise und mein Verständnis für die Unterrichtssprache steigt stetig.

Auf der Strasse aber. Oder im Restaurant, im Supermarkt: sobald ich angesprochen werde, stehe ich zuerst verdutzt zwei Sekunden stumm da, wie ein Reh vor dem heranrasenden Auto. Dann die ungelenke Bitte um die Wiederholung des Gesagten. Meist ist es die Geschwindigkeit, die mich daran hindert, den ganzen Satz zu erfassen. In den meisten Fällen gelang es mir anschliessend, ein oder zwei Stichwort herausfiltern, mit denen ich durch eine Wiederholung ein wenig Zeit gewinnen konnte. Bisher haben diese Konfrontationen in Restaurant und Supermarkt zwei nennenswerte Ausgänge: entweder ich krieg am Schluss durch die Wiederholung eines Stichwortes sowie einem zufälligen "Ja", "Nein" oder "Entschuldigung" was ich will. Oder ich krieg was anderes. Beide Fälle haben jedoch das eine gemeinsam: was genau der Gesprächsinhalt war, fällt mir erst eine halbe Stunde später ein. Und von grossem Fortschritt kann man da bisher definitiv nicht sprechen.

Kleine Nebenbemerkung: in dieser Situation bekommt die Challenge "Fast Food Bestellung ohne Rückfrage" einen ganz neuen Wert. Weitere kleine Nebenbemerkung: gewisse Situationen oder Sachbezüge könnten ein wenig überspitzt oder verändert dargestellt sein, als sie tatsächlich vorgekommen sind. Sprache ist schliesslich auch zum Spielen da.

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